Schockierende Neuigkeit

Heute kam Saga mit einer Neuigkeit zur Arbeit, die nicht warten konnte.

„Wenn ich gleich abwasche, und Du Zeit hast, möchte ich Dir etwas Schreckliches erzählen, was gestern passiert ist. Eigentlich fing die Sache schon vorgestern Abend an.“

„Erzähl!“ ermutigte E. sie, denn, typisch Frau, sollte man „schreckliche“ Neuigkeiten nicht solange warten lassen, bis der Augenblickseffekt nachlässt.

Saga erzählte also frisch aus dem Erlebnis heraus weg:

„Vorgestern Abend, als Susa zum Wasserhahn ging, um Wasser zu holen, schrie sie ganz furchtbar auf und der Strom wurde unterbrochen. Sie kam heulend zu mir und war ganz zittrig und teilte mir mit, dass sie beim Wasserhahn einen Stromschlag abbekommen hätte. Ich wollte Wäsche waschen und war deshalb vorsichtig, als ich Wasser holte, das ich mit einem Plastikdeckel gegen den Wasserhahn schlug, um ihn zu öffnen. Eine Weile später kam eine andere Mitbewohnerin von der Wohngemeinschaft vom Grundstück auch ganz zittrig und heulend zu mir. Ihre ganze Seite war halb betäubt von dem Stromschlag, den sie abbekommen hatte. Diesmal war die Sicherung aber nicht runter gehauen.

Abends schickte die besagte Mitbewohnerin einen anderen Mann aus der Wohngemeinschaft zum Wasser holen, sagte ihm jedoch nichts von der Gefahr. Als er zurückkam, fragte sie ihn, ob er einen Stromschlag bekommen hätte. Er verneinte. – Was ich nicht verstehe, ist, dass sie ihn nicht vorher gewarnt hatte. Sie hatte irgendeine Ausrede gebraucht, warum sie nicht selbst gehen könnte.

Gestern Nachmittag gegen 4 Uhr nachmittags ging ihr Lebenspartner zum Wasserhahn, um sich Badewasser zu zapfen. Susa stand bei mir, während ich Wäsche wusch. Susa lief gleich neugierig hinterher und wollte wissen, ob er „geschockt“ würde. Plötzlich hörte ich sie schrecklich schreien, lief zum Wasserhahn und da stand der Mann, klebte anscheinend am Hahn fest und verdrehte die Augen und schrie für einen Moment auch ganz grässlich. Dann sah man nur noch das Weiße seiner Augen, und sie schienen aus dem Kopf hervorzutreten.

Ich griff nach dem erstbesten Gegenstand, einem Wischmop und wollte seinen Arm von unten nach oben weg schlagen. „Man muss doch was tun“, schrie ich die anderen umstehenden Männer an. Die sagten nur bedachtsam: ‚ Nee, lass mal, Tannie Saga! Der Strom ist in ihm und geht nur über den Stock zu dir. Da können wir nichts machen!’“

E. griff sich an den Kopf: „Das war das einzige richtige, was du machen konntest! Der Strom wird nicht über trockenes Holz geleitet. Du hättest ihn abschlagen können und er wäre runter!“

Saga war entsetzt: „Hätte ich das bloß gewusst, aber ich habe auf die Männer gehört. Ich dachte, sie wüssten, wie man zu reagieren hätte, aber sie taten nichts und guckten nur. Ich war ganz verzweifelt, sprang mit dem Mop herum, tröstete die Lebenspartnerin des Mannes, dann fuchtelte ich wieder, traute mich aber nicht, weil die Männer mich gewarnt hatten. Wäre es Susa, hätte ich zugeschlagen, auch auf die Gefahr hin, dass mir was passiert wäre. Hätte ich doch bloß auf mein Gefühl gehört!
Irgendwann hat der Mann losgelassen. Da hatte ich gerade wieder die Frau getröstet. Anscheinend ist er mit dem Hinterkopf heftig gegen die Wand geschlagen, dass man das heftige Klappgeräusch gehört hatte. Ich habe es nicht gehört. Er lag dann am Boden und hat hörbar ein paar Mal tief geatmet. Dann klappte sein Mund auf, dass man drinnen den Gaumen gesehen hatte, und der war ganz blau. Und dann war er tot. Ich wollte noch Mund zu Mund Beatmung machen und hatte gesagt, dass man Herzmassage machen müsse. Die Männer hatten aber wieder gesagt:’ Tannie Saga, den darf man nicht anfassen. Der Strom ist in ihm drin. Wenn du ihn anfasst, kommt der Strom in dich rein. Vielleicht kriegt man ihn wieder zum Leben, wenn der Strom weitergeht, aber die Person, die ihn anfasst, stirbt dann!’ Da habe ich es lieber nicht getan. Wir waren alle fertig mit den Nerven.

Wir hatten vorher die Ambulanz benachrichtigt und die Polizei. Die Ambulanzmänner kamen nur, haben ihn von weitem angeschaut und haben nichts gemacht. Sie haben ihn aus einem Abstand beobachtet und dann gesagt, er sei tot. Die Polizei hat alle befragt, besonders Susa, weil sie es zuerst mitbekommen hatte. Hoffentlich muss Susa wegen des Vorfalls nicht zu Gericht, denn sie ist ja noch ein Kind!“

E. tröstete sie: „Das muss sie bestimmt nicht. Es ist nur eine Routineuntersuchung wie bei den meisten Todesfällen. Keiner hat den Tod verursacht, deswegen wird der Fall nicht weiterverfolgt. Allerdings hättet ihr schon direkt nach den ersten Stromschlägen die Stadtwerke benachrichtigen müssen!
Saga sagte: „Der eigentliche Mieter des Hauses hatte es schon gleich gestern früh angemeldet. Bis nachmittags ist jedoch niemand gekommen, erst anschließend, als der Mann schon tot war. Heute hatten sie früh nach gegraben. Unter der Erde sei alles voll Wasser gewesen, und anscheinend sei direkt eine Stromleitung da lang gegangen, die beschädigt ist. Sie hatten den Strom abgestellt und gesagt, wir müssten alle dort wegziehen, denn das bliebe gefährlich.

Die Lebenspartnerin hatte zu Susa gesagt: ’Ich hatte ihn noch gewarnt!’ aber als ich sie getröstet hatte, hat sie deutlich zu mir gesagt: ’Warum hatte ich ihn bloß nicht gewarnt?’ Sie hatten wieder Streit gehabt und hatten schon einige Tage nicht mehr miteinander gesprochen. Susa und sie hatten beim Hospital Beruhigungsspritzen bekommen, weil sie halb hysterisch waren. Susa bekam zwei Spritzen.

E. klärte Saga noch mal wegen 1. Hilfe in solchen Fällen auf, wie Strom reagieren würde und welche Stoffe keinen Strom leiten würden. Jedenfalls sei Saga nicht schuld, dass der Mann nicht gerettet worden sei. Vielleicht habe auch der Schlag auf den Hinterkopf bewirkt, dass er starb…? Das hätte dann auch passieren können, wenn Saga ihn abgeschlagen hätte und der Mann rückwärts gefallen wäre, denn niemand wäre hinzu gesprungen, um ihn aufzufangen. Wahrscheinlich hätte man Saga noch zum Hauptschuldigen gemacht.

So war die Lebenspartnerin schuld, die ihn nicht gewarnt hatte, die Stadt, weil sie den Schaden nicht behoben hatte, der Aberglaube und die Unwissenheit der Umstehenden und die unterlassene Hilfeleistung der Ambulanz.

Ob Saga nun eine andere Wohnung suchen muss, bleibt noch ungewiss!