Die Ereignisse überstürzen sich

Fast bin ich ein wenig ratlos, wie ich die bunten Schicksalsmomente zusammenbringe. Es wird nun einiges von mir als Berichterstatter, als auch von den Lesern abverlangt, um die Vielfalt, sich überstürzender Ereignisse in Sagas Leben zu erfassen.

Zuerst sei gesagt, dass Saga sich wegen ihrer pubertierenden Tochter große Sorgen machte. Die Schularbeiten verloren an Wert und der Umgang mit falschen Freundinnen führte Emma auf Abwege. Saga verzweifelte fast, schimpfte und tobte. Alles mit recht wenig Erfolg. Schließlich entschloss sie sich, Emma mit dem 10. Schuljahr von der Schule zu nehmen. E. hielt ganze Vorträge, um sie davon abzuhalten.
Saga: „Ich will auch etwas von meinem Leben haben. Soll sie doch Arbeit suchen! Ich habe genug geredet.
E.: „Saga, Du bist die Mutter zu Emma. Du hast Verpflichtungen. Solange Emma noch zur Schule gehen kann, lässt Du sie zur Schule gehen.“
Saga: „Sie will ja nicht mehr zur Schule gehen. Außerdem will ich auch mal an meine Zukunft denken.“
E.: „Du musst begreifen: Emma ist Deine Zukunft. Sie ist deine Tochter. Wenn sie eine gute Schulausbildung hat, kann sie auch einen besseren Beruf erlernen als du. Sie braucht dann nicht wie du in irgendeinem Haushalt zu putzen. Sie kann dreimal soviel Geld verdienen wie du und kann dich mitversorgen, wenn du alt bist. Du hast keine Pension und mit der Staatsrente kann man nicht leben. Saga, ich flehe dich an, lass bloß Emma in der Schule.“
E. redete wie mit Engelszungen, sie sprach intensiv auf Saga ein, sie schimpfte, sie flehte.
Wenigstens konnte sie eine zeitweilige Zusage erhalten, dass Emma noch auf der Schule bleiben sollte.

Etwa zur gleichen Zeit machten sich Probleme mit Petrus und Susa bemerkbar. Petrus war zu der Zeit etwa 11 Jahre alt und trieb sich mehr auf der Straße herum als auf der Schule. Genauer gesagt: Er war eher zufällig ab und zu in der Schule. Onki zuckte nur die Achseln und meinte, dass er nichts dagegen tun könne. Als Sagas Bruder noch in Swakopmund wohnte, anscheinend ein ebenso gutmütiger Charakter wie Saga, weshalb wir ihn uns mit Sagensus merken werden, konnte Petrus auf unsanfte Art zum Schulbesuch überredet werden. Die Überredungskünste spielten sich heimlich auf einer öffentlichen Toilette ab und bewirkten eine äußerst schmerzhafte Denkanredung an einem dem Gehirn recht entfernten Körperteil, der sonst zum Sitzen genutzt wurde. Susa wurde auch verwahrlost und eigentlich wollte sich Onki nicht mehr um die beiden Kinder kümmern. Sie seien ihm im Weg, denn er hatte eine Geliebte. Der Schulbesuch und die Schultracht seien zu teuer. Der leibliche Vater solle sich ihrer annehmen.

Jetzt redete Saga wie mit Engelszungen auf ihn ein. Er könne die Kinder doch nicht einfach von der Schule nehmen. „Petrus will doch sowieso nicht mehr zur Schule gehen, und ich habe genug geredet,“ sprach Onki.

„Was hat er denn dann für eine Zukunft?“ schimpfte Saga. „Er wird nur ein Straßenkind.“
Onki erwiderte, dass er sowieso nicht kontrollieren könne, ob Petrus zur Schule ginge oder nicht.
„Und Susa?“ sorgte sich Saga. „ In Grootfontein wird sie auch nicht zur Schule gehen.“
Onki blieb unerbittlich. Mit Hilfe des Schulleiters setzte sich Saga endlich dafür ein, dass Petrus in ein Schülerheim (Internat) nach Walvis-Bay geschickt werden sollte. Da sei er unter Aufsicht und käme nur zu den Ferien und alle 3 Wochen zum Ausgehwochenende zu Onki.

Wegen Susa redeten Onki und Opa auf Saga ein, sie solle das Kind zu sich nehmen. Sie würden sie auch geldlich unterstützen…
Saga erklärte ihre Wohnungsnot, dass sie nur ein Bett habe und ein klitzekleines Zimmerchen. Es nutzte nichts. Endlich erklärte sich Saga dazu bereit und nahm Susa zu sich. Für den Anfang war der Schulweg der gleiche wie der von Emma. Im kleinen Zimmerchen wohnten also nun Saga mit Tochter Emma und Nichte Susa, ein spindeldürres, verwahrlostes Mädchen.

Kaum war diese Lösung gefunden, tauchte Onki bei Saga auf. Da sie ja jetzt Susa aufgenommen habe, könne sie doch auch Petrus bei sich aufnehmen. Es seien doch Geschwister und sie gehörten zusammen. Saga tobte mal wieder und weihte E. in ihre Probleme ein.

E. spickte Saga mit Gegenargumenten und erinnerte daran, dass Onki und Opa ihr ja eigentlich noch Geld schuldeten wegen der Clubkarte. „Erinnere sie daran, wenn sie dir noch mehr Probleme geben wollen.“
Saga: „Das kann ich doch nicht. Man muss doch auch mal verzeihen und die Angelegenheit vergessen!“
E.: „Vergessen? Wo du jeden Monat daran erinnert wirst, wenn du die Schulden abzahlen musst?
Wo du jeden Monat nicht weißt, wie du Essen kaufen sollst und wie du deine Tochter versorgen sollst? Und jetzt hast du Susa aufgenommen, da wollen sie dir auch noch Petrus geben – alles, damit sie gar keine Verpflichtungen haben? Die einzigen, die anscheinend leicht vergessen, sind deine lieben Verwandten. Es ist geradezu deine Pflicht, sie daran zu erinnern, dass du ihre Schulden zahlst und sie ihr gegebenes Wort gebrochen haben. Wenn du alles vergisst, hast du auch bald Petrus zu versorgen.“
– Und, wie schon einmal, fühlte ich mich verpflichtet, ganz hart in die Wankelmütigkeit Sagas einzugreifen: „ Saga, du nimmst Petrus nicht auch noch auf. Ihr seid drei Frauen, das ist genug. Du hast Probleme mit deiner Tochter, die jetzt besonders viel Aufmerksamkeit von dir braucht. Du hast Susa aufgenommen und ist für sie genauso verantwortlich, wie für Emma. Ihr habt sowieso keinen Platz. Wenn du jetzt auch noch Petrus aufnimmst, schicken sie dir bald noch andere Kinder. Du musst jetzt ‚Nein‘ sagen. Wenn du das nicht kannst, dann bist du dumm. Und ich habe dir schon mal gesagt: Dumme Leute dürfen bei mir nicht arbeiten! Ich schmeiß dich dann raus, denn ich will nicht jeden Tag sehen und hören, wie schlecht es dir geht!“

Was hier so kurz berichtet wird, zog sich allerdings über einige Wochen hin. Viele Gespräche sollten endlich zu dem Ergebnis führen, dass es bei dem Pflegekind Susa blieb – bis jetzt jedenfalls.