Putzfrau letzten Grades, die Zweite

Frau Siedaar rief ihr Personal zu sich und teilte ihnen mit, dass die Zeiten sehr schwer seien. Plunder warf nicht mehr soviel Gewinn ab, wie zuvor, deshalb müssten Einsparungen vorgenommen werden. Auch sie müsste sich mit weniger Gehalt abfinden, aber es würde sich auch auf die Arbeitseinteilung alle Angestellte auswirken. Jedenfalls würden in Zukunft keine „Kessels“ mehr angestellt werden. (Kessels? Das Wort hatte E. noch nie gehört. Saga verwendete es sehr oft. Erst einige Jahre später fand E. durch Zufall heraus, dass das englische Wort „Casuals“ dahinter verborgen war für die Bezeichnung von Zeitarbeitern).

Die Angestellten nahmen die Nachricht gleichmütig auf. Der Gedanke, dass sie nun allerdings bei den seltenen Fällen von größerem Kundenandrang kaum noch Zeit haben würden, Kaffee zu trinken, stimmte leicht bedenklich. Solange aber keine direkten Lohneinbußen zu erwarten waren, ließ sich alles verkraften. Man würde halt etwas fleißiger die Kleiderbügel hin und herschieben müssen, ohne sich auf einen „Casual“ verlassen zu können.

Die Putzabteilung, die allerdings einsam durch Saga vertreten wurde, wurde extra ins Büro bestellt.

Mit zuckersüßer Stimme wurde Saga, die am wenigsten im Plundergeschäft verdiente, mitgeteilt, dass auch sie an den „schlechten Zeiten“ beteiligt werden müsse. Statt weiterhin von 8 Uhr 30 bis 13 Uhr 30 zu arbeiten, sollte ihre Arbeitszeit mittags um eine volle Stunde gekürzt werden.

Saga verschlug es schier die Sprache: „Dann arbeite ich statt 5 Stunden nur noch 4 Stunden? Wie soll ich davon meine Familie ernähren?“ Die Chefin tat sehr mitfühlend: „So ist es nun mal. Auch ich verliere wie Du fast N$ 100, 00 im Monat.“

Saga wusste, dass die Chefin entsprechend mehr verdiente als sie selbst, aber es lohnte nicht, darauf hinzuweisen. Das würde nur als Neid ausgelegt werden. Sie hatte allerdings einen anderen Vorschlag: „Kann ich dann bitte nur einmal in der Woche kommen und volle 8 Stunden arbeiten. An dem freien Tag würde ich mir eine weitere Arbeitsstelle suchen.“

Frau Siedaar wiegelte rigoros ab: „Das geht nicht. Das Geschäft muss zweimal in der Woche geputzt werden. Du musst also zweimal für jeweils 4 Stunden kommen.“

Saga schüttelte nur den Kopf: „In 4 Stunden kann ich die ganze Arbeit doch gar nicht schaffen. Ich werde doch jetzt schon kaum fertig, wenn ich noch zur Post geschickt werde.“

Soviel Hartnäckigkeit und Widerspenstigkeit war die Chefin nicht gewohnt. Sie war angestellt, Befehle auszuteilen, nicht um Diskussionen zu führen. „Saga, dann musst du halt schneller arbeiten! Wenn du nicht damit zufrieden bist, kannst du gehen! Denk dran: Du hast keinen Arbeitsvertrag!“

Saga verließ also das Büro und grübelte über die Ungerechtigkeit der Weißen nach. Sie schlief kaum und erschien am nächsten Tag bei E. mit einem Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß. Wut und Ärger wurden beim Staubsaugen in den Teppich gerieben, durch das Geschirr geklappert und mit besonderem Druck in die Wäsche geheizt. E. schaute sich das an und sagte kein Wort. Es herrschte Gewitterstimmung. Wie bei Gewitter üblich, übertrug sich das Spannungsfeld auch auf E. und sie fragte sich, was sie wohl angestellt haben möge, um diesen Zorn zu bewirken. Sie packte also den Stier bei den Hörnern und konfrontierte Saga kurz entschlossen:

„Sag mal, Saga, bist du heute irgendwie schlecht gelaunt? Stimmt etwas mit unserem Arbeitsverhältnis nicht? Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Nein, nein. Ich bin auf Plunder sauer.“ Und dann sprudelte Saga die unleidliche Geschichte mit ihrem Dienstverhältnis bei Plunder heraus.

E. war erschüttert. „Du hattest doch schon einmal die Zeit gekürzt bekommen. Aus Deinen Gehaltsabrechnungen weiß ich, dass Du in 5 Jahren jedes Jahr weniger verdient hast.“

Saga spuckte Gift und Galle: „Ich arbeite. Ich mache keine Pause. Ich trinke nicht mal Kaffee, sondern werde auch noch zur Post geschickt. Jetzt schon spannt sie mich im Laden mit ein, wenn zu viele Kunden kommen. Dann muss ich mit beaufsichtigen, dass nichts gestohlen wird. Hinterher verlangt sie aber von mir, dass ich trotzdem meine eigentliche Arbeit geschafft haben muss.“

Vorsichtig fragte E. an, ob sie mal mit Frau Siedaar reden sollte, so von Weiße zu Weiße.

„Bloß nicht!“ wiegelte Saga ab. „Dann bekäme ich noch mehr Ärger, weil ich geredet habe. Lieber suche ich mir eine andere Arbeit.“

In dieser Angelegenheit konnte E. also gar nicht helfen, aber wenigstens hatte Saga sich den Frust von der Seele geredet. Sie suchte keine neue Arbeit, beherzigte aber E.‘s Rat, dass sie einfach in der gleichen Art weiterarbeitete. Was nicht an einem Tag geputzt werden konnte, weil die Arbeitszeit abgelaufen war, wurde auf den nächsten Arbeitstag geschoben. Und unbezahlte
Überstunden machte Saga vorläufig auch nicht mehr.

Der erste Ärger kam auch prompt, als Saga nicht mehr das Geschirr wusch. Dann wurde gemeckert, dass nur noch einmal pro Woche die Fenster geputzt wurden. Nach Botengängen fehlte selbst die Zeit zum regelmäßigen Regale putzen.

Zu Sagas Glück kam aber die Kontrolle aus Windhoek. Sie wunderte sich darüber, dass Saga auch für das Geschirr zuständig war und erklärte sofort, dass diese Aufgabe nicht in ihr Gebiet fiele. Wer Kaffee wollte, wäre auch selbst für den Abwasch zuständig. Den Staub zwischen den Regalen dürften die Verkaufsdamen nebenbei wegputzen, wenn sie sowieso die Kleiderbügel hin und her schöben. Irgendwie missbilligte sie Frau Siedaars Haltung gegen Saga, aber sie konnte nichts unternehmen, denn sie war keine Vorgesetzte. In der Geschäftswelt Plunder hatte sie nur eine Parallelposition zu Frau Siedaar.

Bald nach diesem Vorfall zog Plunder in neue Geschäftsräume. Saga zog mit. Dort erlebte sie eine dritte Episode der Kategorie „Putzfrau letzten Grades“.