Emma gestaltet ihre Zukunft

Was kaum jemand zu hoffen gewagt hatte, wurde Wirklichkeit: Emma bestand das 12. Schuljahr und zählte dadurch zu der geringen Prozentzahl der schwarzen Schüler, die „es“ geschafft hatten. Das letzte Schuljahr war geprägt von Aufsässigkeit und Teenager-Trotz. Endlich trugen Sagas Ermahnungen Früchte und Emma war nicht wenig stolz auf die Leistung, die einen Schritt aus der Armut bedeuten konnte. Ihr standen alle Wege offen!

Das musste zum Schulabschluss mit der passenden Garderobe beim Abschlussball gefeiert werden. Nach langer Zeit zückte Saga die noch vorhandene Kreditkarte und ließ ihre Tochter nach der neuesten Mode wählen und sich einkleiden. Auch die teuren Schuhe gehörten dazu. Die Abzahlung der Kreditkarte allerdings zog sich wieder über einige Monate, mit dem festen Vorhaben: „Nie wieder!“ und der Entschuldigung: „Man besteht halt nur einmal die Schullaufbahn!“

Leider zeigte Fräulein Tochter nach der Abschlussfeier, dass sie nicht nur Interessen nach der beruflichen, sondern auch nach der partnerschaftlichen Zukunft bekundete. Das Interesse verstärkte sich in den Stunden der Muße, als Emma darauf wartete, dass irgendeine Arbeitsstelle ausgerechnet nach ihr Ausschau halten würde. Emma selbst machte sich dagegen wenig Mühe, selbst die Initiative zu ergreifen, sondern kümmerte sich ausgiebig um ihren Freundeskreis.

Schließlich wurde es Saga zu bunt. Sie setzte Emma auf den Zug und schickte sie zur Verwandtschaft ins Inland. Emma sollte zurückkommen, wenn Saga für sie eine Arbeitsstelle gefunden hatte.

Im Inland gab sich Emma dem Schlaraffenleben hin, das leider nur nicht die erforderliche Verköstigung bot. Das wurde aber mit einem arbeitslosen Verehrer wettgemacht.

Nach 7 Monaten bat Emma selbst darum, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Abgemagert traf sie wieder in Swakopmund ein und zeigte deutliche Zeichen von Krankheit. Im Krankenhaus diagnostizierte der Arzt sofort Tuberkulose. Emma bekam Medikamente verschrieben, die sie täglich persönlich abholen musste.

Mit dieser Vorschrift wird garantiert, dass der Patient sich auch wirklich der Behandlung unterzieht und gehorsam zu seiner eigenen Genesung beiträgt. Falls der Patient die Behandlung vorzeitig abbricht und er dadurch rückfällig wird, wird er meistens für die ganze Genesungszeit ins Krankenhaus eingewiesen. So muss sich die Gesundheitsbehörde absichern, dass nicht unnötig weitere Menschen infiziert werden.

Schließlich ließ sich ein weiteres Geheimnis nicht länger verbergen und Emma gestand ihrer Mutter, dass sie schon recht bald ein Kind bekommen werde.

Saga jagte im ersten Zorn ihre Tochter aus dem Haus.

„Und Du brauchst niiie wiederzukommen! Ich habe endgültig genug!“

Emma fand Unterschlupf bei einer Freundin, die auch nach dem Schulabschluss einem Freier zum Opfer gefallen war und ein Kind erwartete.

Saga ergoss sich in den jahrhundertealten Argumenten von: Undankbarkeit! Dummheit! Soll sie selbst mit ihrem Leben zurechtkommen! Ich bin fertig mit ihr!

E. half ihr pflichtschuldigst und fand viele Ergänzungen, um die Enttäuschung gebührend in Worte zu fassen. Solidarisch zeigten sich Arbeitgeberin und Angestellte in ihrem Ärger, daß eine Hoffnung zerstört worden war, dass man durch eine ordentliche Berufsausbildung der Tochter aus der Armut hätte finden können, und dadurch vielleicht sogar für Saga im Alter gesorgt würde, so als Rentenverpflichtende Dankbarkeit.

Endlich siegte die Mutterliebe und Saga nahm ihre Tochter gnädig wieder auf.

„Schau mal, auch in der Bibel wird gelehrt, man müsse verzeihen. Und es war ja nun mal ein Fehler, aus dem sie hoffentlich gelernt hat! Aber, wenn sie noch mal ein uneheliches Kind bekommt, dann ist endgültig Schluss. Dann verzeihe ich nicht noch einmal!“ nahm Saga sich gewissenhaft für die unbekannte Zukunft vor.

E. überlegte noch: „Kann es nicht sein, daß Emma sich noch mit Aids infiziert hat? Ihr arbeitsloser Typ hat doch sicher nicht nur sie als Freizeitbeschäftigung ausgesucht, oder?“

Saga gab zu, daß sie auch schon daran gedacht habe. „Aber ich will es gar nicht wissen! Selbst wenn sie Aids hat, soll sie es mir bloß nicht sagen. Ich will es einfach nicht wissen!“

E fragte auch nie wieder in die Richtung nach und respektierte den selbst aufgelegten Schutz, den Saga sich vor weiteren Bekümmernissen wünschte.

Susa würzte das häusliche Zusammenleben mit Kommentaren wie „was hatten wir es gut, als du nicht da warst, unnötiger Mitesser, dicke Tante“ und weiterer weniger netten Bemerkungen, während Emma umsonst hoffte, daß sie von ihrer Mutter in Schutz genommen würde. Saga selbst kämpfte mit dem Lachen, wenn Susa mit neuen drolligen Worterfindungen aufwartete, um die trostlose Situation zu beschreiben.

Als Familienzuwachs stellte sich also fast genau 10 Monate nach Schulschluss ein kleines Mädchen ein, das leider auch gleich gegen Tuberkulose behandelt werden musste. Manch bange Minute wurde im Hospital durchgebracht. Einmal trösteten die Krankenschwestern die unsichere junge Mutti mit:

„Gestern hustete auch ein Baby so schrecklich. Nach ein paar Minuten war es tot.“

Emma erschrak furchtbar und lief aus dem Krankenhaus fort, um Saga zu holen. Ihre Mutter sollte ihr bei der Pflege des Kindes helfen, wenn schon die Krankenschwestern keine Zeit zu haben schienen.

Als Saga ins Krankenhaus eilte, ging es dem Baby schon viel besser. Die Flucht der jungen Mutti war aufgefallen und man hatte befürchtet, dass Klage bei einem Arzt eingereicht würde. pflichtschuldigst hatten sich die Krankenschwestern plötzlich des Säuglings angenommen und ihm Sauerstoff zugeführt.

Wieder zu Hause kümmerte sich Emma ausschließlich um ihre kleine Tochter. Der Spottname „Kind-ohne-Zukunft“, den Susa dem Baby gegeben hatte, gehörte bald zum Alltag.

E. versuchte, Saga zu überreden, den Namen in „Kind-mit-Zukunft“ umzuwandeln. Saga hoffte aber, dass ihr bald ein richtig netter Name einfallen würde.

Vorerst entlud sich ihr Ärger wieder auf Emma, die sich auf ihrer faulen Haut ausruhte und keinen Finger im Haushalt rührte. Wenn Saga nach Hause kam, wiegte Emma das Kind und wartete darauf, dass das Essen gekocht würde. Sie selbst wusch keine einzige Windel und erst als sich ein ganzer Wasserfall von Schimpftiraden über sie ergoss, zusammen mit der Drohung, dass sie sich ihre eigene Unterkunft suchen könne, wenn …, bequemte sie sich aus ihrer Lethargie.

Es dauerte aber noch einige Monate, bis Emma wenigstens stundenweise Arbeit bekam, um zum Haushalt beizutragen.