Petrus Schulprobleme

An einem schönen Sonntagmorgen wusste Saga nicht mehr, wie sie die familiären Auseinandersetzungen bewältigen sollte und marschierte schließlich zu E. nach Hause, um einen Gehaltsvorschuss zu erbitten. E. und Familie waren leider ausgeflogen. Saga wartete und überlegte. Dann fasste sie sich ein Herz und klopfte bei den neuen Nachbarn gegenüber an:

„Ich wollte mit Frau E. sprechen, aber nun ist sie nicht da. Mein Kind ist krank und ich brauche dringend N$100,00 für das Hospital. Am nächsten Arbeitstag bei Frau E. werde ich es zurückbringen. Ich weiß nicht, was ich machen soll, aber Frau E. hätte mir bestimmt geholfen.“

Die Nachbarn halfen also aus und Saga eilte mit dem Geld zurück nach Hause. Es war kein Kind krank, aber Petrus hatte sich am Freitagabend bei ihr eingefunden. Er hatte Ausgehwochenende, was soviel bedeutete, als dass er für das Wochenende aus dem Internat nach Hause durfte. Einen Tag vorher hatte Onki einen Anruf vom Schulleiter erhalten, dass Petrus einen Mitschüler und die Lehrerein bedroht hatte. Das Verhalten sei nicht tragbar und Onki sollte sich mit der Schule zu einem Beratungsgespräch einfinden. Außerdem sei der Schulbeitrag noch nicht gezahlt worden.

Kaum war also Petrus zu Hause angekommen, entlud sich Onkis Wut auf den missratenen Bengel und er verprügelte ihn mit erzieherischer Überzeugung. Petrus wählte den kürzesten Fluchtweg zu Saga und blieb am Wochenende bei ihr. Saga kümmerte sich um ihn, wusch seine Wäsche, flickte sie und richtete Petrus wieder zu einem ordentlichen Jungen. Am Sonntag sprach sie bei Onki vor und erbat das Geld, damit Petrus wieder mit dem Bus nach Walvis-Bay fahren könnte. Onki fluchte sie aus dem Haus und behauptete frech, dass er kein Geld habe.

In dieser Not hatte sich Saga auf den mühsamen Bettelweg gemacht und sich überlegt, mit welchem Argument sie am besten Hilfe bekommen könnte. Sie kannte E. gut genug, um zu wissen, dass sie nichts für die saubere Verwandtschaft herausrücken würde.

Nach also erfolgreicher Hilfeleistung kehrte Saga nach Hause zurück und brachte Petrus selbst zum Bus. Der Großteil der hundert Dollar sollte den fehlenden Schulbeitrag ableisten. Die Busfahrt wurde gezahlt und es blieb sogar noch Taschengeld übrig. Petrus fühlte sich wie ein König, während Saga wie so oft mit neuen Schulden zurückblieb.

E. schimpfte auch sofort am Dienstag los: „Garantiert hättest du kein Geld von mir bekommen. Für Susa hast du kein Schulgeld übrig, und Petrus bekommt sogar Taschengeld. Warte nur ab, was dir deine Gutmütigkeit bringt: Petrus wird jetzt an jedem Ausgehwochenende bei dir auftauchen und sich erstmal bedienen lassen und dann auch noch mit Geld in der Tasche den großen Mann spielen, während du wieder nicht weißt, wie du das Essen auf den Tisch bekommst.“

Saga versuchte zu erklären: „Petrus war jetzt so gut in der Schule. Er ist sogar in die Schülervertretung gewählt worden.“

Das Gespräch mit dem Schulleiter blieb auch an Saga hängen. Dazu erlaubte E. ihr natürlich das Telefon zu gebrauchen, denn schließlich hatte sie ihr bei dem unleidlichen vorigen Telefonvorfall erklärt, dass sie es nicht ablehnen würde und nur gefragt werden wolle. Saga handelte ein Elterngespräch heraus und bat um Geduld mit Petrus. Der Schulleiter zeigte sich gnädig und behielt Petrus an der Schule.

Nach 3 Wochen stand das nächste Ausgehwochenende bevor. Saga erinnerte sich der prophetischen Worte von E. und sah dem Wochenende mit Grauen entgegen. Petrus wollte gleich zu ihr kommen, aber sie beschwor ihn, guten Willen zu zeigen und wieder zu Onki zu gehen. Das tat Petrus. Samstagnacht klopfte es um Mitternacht an Sagas Tür und Petrus stand mit verquollenem Auge davor. Onki habe getrunken und ihn verprügelt.

Saga wurde bitterböse und wollte die Polizei informieren. Am Morgen sprach sie mit Opa und Onki. Onki versicherte ihr, dass Petrus ihn solange provoziert habe, bis er zugeschlagen habe. Opa schimpfte, dass die Polizei nichts damit zu tun habe und man nicht die eigene Verwandtschaft anklagen solle. Er hielt Saga bittere Reden und beschuldigte sie mit Verrat an der eigenen Familie. Saga ließ sich erweichen — und zahlte Sonntagnachmittag das Bus- und Schulgeld. Diesmal blieb aber Susa nicht still und machte ihrem übervollen Herzen auch Luft:

„Petrus bekommt alles. Mein Schulgeld wird nicht gezahlt. Ich werde dauernd ermahnt und bekomme kein Zeugnis, weil ich das Geld nicht mitbringe. Warum müssen wir wieder unter Petrus leiden?“

Als Saga ihr Leid bei Frau E. klagte, bestärkte E. Susas Argumente und holte sogar noch dramatischer aus:

„Weißt Du, Saga, Susa tut mir in dem ganzen Zusammenhang wirklich von Herzen leid. Ihr habt kaum zu essen, aber Petrus bekommt Taschengeld. Susa muss mit durchgelatschten Schuhen zur Schule laufen und sie kann nie im Zeugnis ihre Leistungen mit denen ihrer Klassenkameraden vergleichen. Sie wohnt unter Deiner Fürsorge und muss dauernd sehen, dass Eure Armut noch größer wird, weil Du die Verwandtschaft mit versorgst. Die Verwandtschaft aber bringt keinen Cent zurück oder einen Bissen Nahrung, selbst wenn deren Kühlschrank mit Fleisch zu platzen droht. Petrus ist zwar ihr Halbbruder, aber Susa ist Deine Verpflichtung, nicht Petrus. – Ich glaube fast, dass Petrus es darauf anlegt, dass er mit Onki Streit bekommt, damit er bei Dir Zuwendungen bekommt – UND TASCHENGELD! – was er sonst nicht bekommen hätte. Außerdem ist Petrus alt genug, dass er schon fast arbeiten könnte. Wie alt ist er jetzt eigentlich wirklich?“

Saga gab kleinlaut zu, dass Petrus schon 16 Jahre alt sei.
„Was?“ entsetzte sich E. gestellt übertrieben. „16 Jahre alt und erst im 7. Schuljahr? Dann hat er schon 3 Jahre weggeworfen und verursacht trotz aller Hilfe noch Ärger in der Schule, so dass er fast rausgeschmissen wird. Er ist ein Nichtsnutz! Und auf Kosten von dir und deiner direkten Familie hilfst du ihm? Er ist es nicht wert! Schmeiß ihn raus, wenn er wieder bei Dir angebettelt kommt. Du hast kein Geld, das du wegwerfen kannst.“

Petrus versuchte es in den Ferien gleich wieder. Er provozierte erneut Ärger bei Onki und versuchte dadurch, bei Saga Unterkunft zu bekommen. Aufgrund von E.‘s rücksichtsloser Situationsbeurteilung durchschaute aber nun auch Saga die Taktik. Sie führte Petrus zu Onki zurück und erklärte beiden mit viel Gebärden und plötzlich sehr sprachgewandt, dass sie nicht mehr bereit sei, dass Spielchen mitzuspielen. Petrus habe bei Onki zu bleiben und Onki habe seine Pflichten als Pflegevater zu erfüllen. Falls Petrus nochmals rausgeschmissen würde, solle er von ihr aus sein Leben auf der Straße fristen. Bei ihr könne er keine Hilfe mehr erwarten.

Seltsamerweise waren Onki und Petrus für eine ganze Weile beeindruckt von dieser Standpauke und rauften sich zusammen. Für diese Ferien durfte Saga endlich mal aufatmen – abgesehen von den nachmittäglichen Besuchen, wo Brot und Tee in verwandtschaftlichen Mägen verschwanden. Rechtzeitig ehe sie nach Hause kam, waren die Besucher jedoch verschwunden.