Saga und die Club-Karte

Saga war wie eine Erleuchtung. E. und Saga begegneten sich anfangs mit Skepsis. E. da sie vorbelastet war mit den Erlebnissen durch Elviva, Saga, da sie in einem neuen Haushalt mit neuen Regeln anfangen sollte. Jeder Haushalt hat halt seine eigenen Gesetze. Eines davon ist/war, dass bei E. kein Wischmop zum Einsatz kam/kommt, sondern man wie zu Großmutters Zeiten auf allen Vieren mit einem Lappen durchs Haus wischt. Das war aber auch die einzige kleine Eigenartigkeit, die E. von anderen Haushalten unterscheidet. Sonst war es ihr egal, solange der Abwasch mit heißem Seifenwasser erledigt wird, die Wäsche ungeknittert bleibt und das Haus geputzt wird. Ja, und man mußte wenigstens Vertrauen zueinander haben…

Dann wurde E. zum ersten Mal mit dem Leben der armen Saga konfrontiert. Das war die Sache mit der Einkaufskarte. Gibt es auch in Deutschland in Bekleidungsgeschäften das teuflische „Club“-Gefühl? Mit einem netten Vertrag bekommt man eine Karte. Dazu muss man nur seine Intimsphäre entblößen: Man muss offenbaren, wie viel man verdient, wie viel andere Karten man schon besitzt, wie die Wohnungseinrichtung aussieht (Anzahl Kühlschränke, Öfen, Zimmer, Fernseher, Schränke, usw.), wie viele Autos, Wert der Wohnung und ob in eigenem Besitz, usw. usf. Die Informationen dienen dazu, dass man in etwa weiß, wie viel man pfänden kann. Nach den Angaben wird berechnet, mit wie vielen Schulden man sich dem Laden verpflichten kann. Die Abzahlung wird großzügigerweise auf 3 oder 6 Monate erlaubt, erst ab dann werden Zinsen berechnet, aber dann knallhart mit 30 % pro Monat.

Saga ließ sich von 2 Läden zu den teuflischen Karten überreden. Es würde ihr ermöglichen, die Sonderangebote zu nutzen, auch wenn sie mal knapp bei Kasse wäre. Ihr Durchschnittsgehalt betrug zu dem Zeitpunkt etwa 700,-. Davon musste sie 150,- für ihre 3m bei 3m Wohnung aufbringen, in der sie mit ihrer Tochter wohnte. Ihr Mobiliar bestand aus einem kleinen Tisch mit 2 Stühlen, einem Bett, einem Kleiderschrank und einem Schwarz/Weiß-Fernseher. Von einem Laden bekam sie die Erlaubnis, bis 500,- Schulden zu machen, der andere erlaubte sogar 800,- Schulden. Saga war glücklich. Sie war reich und konnte sich etwas leisten. Die Neuigkeit musste einfach im Verwandtenkreis erwähnt werden. Onki und Opa lauschten fasziniert. Onki hatte zu dem Zeitpunkt gerade eine Geliebte. Außerdem wohnten Petrus und Susa die Halbgeschwister noch bei ihm. Wie es der Zufall wollte, brauchte die Geliebte just in dem Moment dringend ein paar neue Kleider. Opa musste dringend zu einer Beerdigung und brauchte einen dunklen Anzug.
Saga bräuchte nur mal die Karten auszuleihen … es würde sie ja nichts kosten. Und natüüüürlich würde sie rechtzeitig das Geld zurückerhalten, bzw. sie würden im Laden die Schulden tilgen. Dazu ist man ja verwandt, dass man einander hilft. Und Saga gab die Karte. Und Onki und Opa kauften. Auf nachfrage zahlten sie auch fleißig zurück – und tranken fleißig Kaffee bei Saga – und waren ein Herz und eine Seele.

Und dann kam nach 6 Monaten ein kleiner schrieb bei Saga ins Haus geflattert, der sie aus allen Illusionen riss. Sie habe noch keinen Cent beglichen. Wenn nicht bis zum Ende der Woche eine hohe Abzahlung erfolgte, würde sie mit dem Gericht zu tun bekommen.

Saga fiel aus allen Wolken und konfrontierte zielstrebig und energisch Onki und Opa. „Jaaaaa, also weißt Du. Und die Zeiten sind so schwer und just in diesem Moment geht es schon mal gaaar nicht.“ – „Aber ihr habt es doch versprochen.“ – „Ja, aber das ging halt einfach nicht. Sonst hätten wir tatsächlich – nun ja…“ und Schulter zuckend war das Gespräch beendet.

Saga grübelte und überlegte: Wenn sie den Schrank verkaufte für die erste Rate? Zusätzlich vielleicht den Fernseher? Sie haderte mit Gott und der katholischen Kirche. Sie sah sich schon im Gefängnis – und wer sollte sich um ihre pubertierende Tochter kümmern? In ihrer Not wandte sie sich an die Nachbarin, Frau X, die ein guter Kunde bei beiden Läden war und sich mit dem Kartenzeugs auskannte…

Nachbarin Frau X. setzte sich also mit den Klamottenfirmen hin und besprach die Angelegenheit und setzte sich für Saga ein. Sie einigten sich auf monatliche Abzahlungen unter Aufsicht von Nachbarin X. Das Ergebnis war, dass Saga monatlich mit 100,- bis 150,- weniger auskommen musste. Neue Kleidung für sie lag nicht drin. Und mit dieser Regelung wurde auch E. informiert. Da Saga nun sehr knapp bei Kasse war und kaum wusste, wie sie sich und Tochter Emma ernähren sollte, von Schulgeld ganz zu schweigen, bat Nachbarin X darum, ab und zu ein Brot zu kaufen (damals 2,50) , damit wenigstens etwas auf den Tisch kam. Eingeschlossen im Haushaltsdienst war sowieso ein Mittagessen, weshalb Saga wenigstens zwei warme Mahlzeiten pro Woche bekam. Mit den monatlichen Abzahlungen und addierten Zinsen bewirkte es, dass Saga monatlich vielleicht N$40,- vom Gesamtbetrag ableistete. Ließ sie aber einen Monat verstreichen, sah die addierte Rechnung wieder so aus, als hätte sie auch den vorigen Monat nichts gezahlt. Sie sah also einer Zukunft mit Wippe-Schulden entgegen, wobei die Kleidungsfirma mit den 800,00 Schulden am Bedrohlichsten wirkte.

Kaum hatte Saga wieder Hoffnung, nämlich dass sie ihren Schrank, ihr Bett und ihren Fernseher behalten durfte, genauer gesagt einen Tag nachdem für sie ein Kompromiss ausgehandelt wurde, kam zufällig Onki zu Besuch. Er erkundigte sich nebenbei, ob sie eine Lösung gefunden hatte, denn er bräuchte dringend die Clubkarte. Er sei zu einer Hochzeit eingeladen und …
Saga war mit den nerven fertig und erzählte E. die Haltung der Verwandtschaft. E. sprach viele ernste Worte mit Saga und legte ihr quasi die Worte in den Mund, wie sie auftreten solle. Irgendwie drang E. nicht ganz zu ihr durch, denn der Familiendruck war ziemlich heftig. Schließlich musste sie ganz starkes Geschütz auffahren, um Saga zu helfen: „Saga, hör genau zu: Du hast einmal den Fehler gemacht. Die Verwandtschaft lässt Dich mit den Schulden sitzen! Schmeiß die Karte weg!!! Oder zumindest lass sie bei mir auf dem Schrank liegen, damit Deine Verwandtschaft nicht da rankommt. Gibst Du sie ihnen auch nur noch einmal, dann schmeiß ich Dich aus meinem Haus raus. Dumme Leute will ich nicht bei mir arbeiten lassen und brauche ich nicht in meinem Haus!“ Saga war entsetzt, deponierte aber die Karte außer Reichweite von Familie und sich selbst.