Geldsegen für Saga

Über 4 Jahre lang hatte Saga schon fleißig ihre rosa Papierchen von ihrer Arbeitsstelle im Bekleidungsgeschäft gesammelt, auf denen die jeweilige Jahresabrechnung von ihrem Gehalt ausgedruckt war. Als das neueste Papierchen eintrudelte, trieb sie die Neugierde, mal bei E. nachzufragen, was man denn damit machen sollte. E. teilte ihr mit, dass die Papierchen mit der Steuerabrechnung eingeschickt werden müssten.

„Steuer?“ fragte Saga. „Die brauche ich doch nicht zu zahlen. Die zahlt das Bekleidungsgeschäft automatisch für mich ein!“

„Wie“, erkundigte sich E. erstaunt, „das Geschäft knöpft dir Steuerbeträge ab? Bei dem Gehalt, das du verdienst, brauchst du überhaupt keine Steuern zu zahlen. Nicht mal, wenn man die Gehälter von allen deinen Arbeitsstellen zusammenzählt. Da musst du dir aber bei nächster Gelegenheit in Walvis-Bay beim Steueramt die Steuerpapiere holen und ausfüllen, und die eingezahlten Beträge reklamieren!“

Saga zögerte. „Nein, das will ich dann doch nicht. Da muss ich nachher noch Strafe zahlen, weil ich nie die Papiere eingeschickt habe.“

E. erklärte mit Engelsgeduld, warum sie keine Strafe zu zahlen bräuchte. „Wer nicht genug verdient, macht sich nicht schuldig, wenn er keine Steuern zahlt oder sich nicht beim Steueramt meldet.“

Endlich schien Saga überzeugt und versprach, sich um die Steuerpapiere zu kümmern. Es passierte … nichts! E. fragte nach, Saga äußerte die gleichen Bedenken, wie zuvor. E. erklärte mit Engelsgeduld, dass sie unbesorgt sein könnte und warum, und Saga versprach, etwas zu unternehmen. Das Spielchen lief über mehrere Wochen. Die Scheu vor Formularen und vor dem Gang zum Amt überwog. Saga unternahm … weiterhin nichts!

E. erklärte ihr die Möglichkeiten, dass sie mindestens N$ 500,00 und bis zu der Höhe ihrer Einzahlungen, etwa N$1800,00 zurückerwarten könnte. Saga blieb bei den Versprechungen, um E. zum Schweigen zu bringen, und ging ihrer Arbeit nach. Ihre stoische Abwehr gegen jegliche Amtsgeschäfte trug aber immer wieder den Sieg davon.

E. gab sich damit nicht zufrieden und suchte bei der nächsten Fahrt nach Walvis-Bay selbst das Steueramt auf und ließ sich die Formulare von den letzten 4 Jahren, einschließlich des laufenden Jahrgangs aushändigen. Triumphierend wedelte sie diese Formulare beim nächsten Mal vor Sagas Gesicht und erklärte den weiteren amtlichen Vorgang. Saga schaute recht besorgt und erkundigte zaghaft, ob sie nicht mit Strafe zu rechnen habe, weil sie diese Papiere noch nie eingereicht hatte. Wieder kostete es viele Worte, um diese Bedenken zu zerstreuen – und wieder schien es, als ob E. darin Erfolg haben könnte.

Angesichts der vorigen Fehlversuche, gab sich E. aber nicht damit zufrieden, nachdem der erste Schritt getan war. Sie griff wieder zu politischer Argumentation und schilderte, wie die Steuern von den Politikern missbraucht würden. Dazu eignete sich die Verschwendung wegen der Kriegsbeteiligung im Kongo, während im eigenen Land das Volk hungerte. Außerdem wurden die Summen genannt, die der Präsident bereit war, für einen Palast auszugeben. Das hatte Erfolg.

„Nein, das will ich nicht, dass mein Geld dafür gebraucht wird!“ tönte Saga in Kampfeslust.
Ja, und dann versprach E. ihr, sämtliche Papiere für sie auszufüllen. Sie brauchte aber noch eine beglaubigte Kopie von Sagas Pass und beglaubigte Kopien von den rosa Zettelchen. Es müssten zwar die Originale eingeschickt werden, aber als Beweis sollte Saga eine Kopie behalten.

Prompt machte sich Saga Sorgen, um die Ausgaben für die Kopien. Diese Überlegung allein schon, ließ sie wieder zögern, die nötigen Schritte einzuleiten. Man könnte ja wegen einer möglichen Strafe nie wissen…

Wer jetzt vermutet, dass E. irgendwann doch die Geduld verlieren könnte, der liegt damit vollkommen richtig. In der Abwesenheit von Saga schimpfte E., nahm sich vor, den ganzen Zettelkram wegzuwerfen und überhaupt die blöde Steuergeschichte zu vergessen.

Als Saga wieder zur Arbeit erschien, entlud sich E. angesammelter Frust jedoch auf die arme Saga. Sie teilte Saga mit, dass sie schon den Brief an die Steuerbehörde geschrieben habe, um mitzuteilen, warum erst jetzt eine Anfrage auf die Rückzahlung erfolgte. Saga musste sich anhören, dass dem Staat auf keinen Fall das Geld geschenkt werden dürfe, wenn Saga es selbst nötig hätte. Außerdem wurden die vorigen Wunschträume von Saga wieder aufgerollt, wo sie sich Trugschlösser mit Kasinoeinsätzen ausgemalt hatte und E. die größte Mühe hatte, Saga davon zu überzeugen, ihr weniges Geld auf diese Art einzusetzen.

E. versprach, die Kopieunkosten zu übernehmen. Saga bräuchte sie erst zurückzuzahlen, wenn die Steuer einen Gewinn abwerfen sollte.
Endlich brachte Saga tatsächlich ihr Identitätsbüchlein mit und wieder die rosa Papierchen. E. füllte sämtliche vorigen Steuerjahrgänge aus. Sie studierte sich durch den Wust von Angaben und stellte das Paket an die Steuer zusammen. Saga musste überall unterschreiben. Dann wurde der Stapel Formulare in ein Kuvert gestopft und E. brachte persönlich die Hoffnung auf den Weg.

Nun hieß es warten! Wenn auch die anderen vorigen Jahre nicht berücksichtigt werden sollten, so müsste zumindest für das laufende Finanzjahr eine Rückzahlung erfolgen, nämlich die berechnete Summe von ungefähr N$500,00

Schließlich kam von der Steuer ein Bescheid zurück, dass eine Kontonummer bei der Bank angegeben werden müsste. Saga sträubten sich buchstäblich die Haare. Zum Glück kam nur zwei Tage später vom Bekleidungsgeschäft die Anordnung, dass die Gehälter nicht mehr bar auf die Hand gezahlt würden, sondern dass auch sie künftig in ein Konto bei der Bank einzahlen wollten. Saga blieb also gar keine andere Wahl, als den schweren Alleingang zu einer Amtshandlung anzutreten.

Mit der Information der Kontonummer entwarf E. einen neuen Brief an die Steuer. Alle Schutzengel scharten sich um diesen Briefverkehr und bewahrten ihn persönlich vor dem Weg in die Verschwinde-Ritze. Wie durch ein Wunder schienen Sagas Steuerpapiere stets oben zu treiben und die Aufmerksamkeit der Steuerbeamten zu behalten. Endlich kam eine glückstrahlende Saga zur Arbeit. Sie hatte von der Steuer einen Scheck von sage und schreibe N$ 1 750,00 erhalten, also fast das gesamte Geld, das unnötigerweise fast über 5 Jahre von ihrem Gehalt in die Steuerkasse gezahlt worden ist.

Warum das Finanzamt einen Scheck schickte, wo doch vorher die Kontonummer benötigt wurde, wird ein ewiges Geheimnis der Verwaltungsregelungen bleiben. Da mögen sich in der Zukunft Psychologen ihre Doktorthese erarbeiten und Steuerzahler das Kopfschütteln trainieren. Die Tatsache, das wahrhaftig eine Rückzahlung erfolgt war, soll uns vorerst genügen und mit Bewunderung auf eine Sternstunde blicken lassen.

Saga schwebte. Sie träumte. Sie baute Luftschlösser. Sie wollte E. ein Dankeschön zahlen, aber E. lehnte es ab. Sie erhöhte lieber das kleine Glück, indem sie auch auf die Begleichung der Kopierausgaben verzichtete.

Saga plante, verwarf die Pläne und plante neu. Sie wollte einen neuen Fernseher kaufen – den Rest auf Schuld. Sie wollte sich ein Häuschen besorgen und das Geld als Anzahlung einsetzen. Sie wollte … E. dämpfte leicht das Glück und erinnerte an die Schulden, die durch die Clubkarte eingegangen worden sind. Das sah Saga ein und zahlte wenigstens eine Clubkarte ab. Bei der anderen standen immer noch etwa N$ 300,00 aus.

Die Verwandtschaft verfärbte sich wieder vor Neid und besuchte die nun reiche Familienangehörige, aber diesmal benahm sich Saga wie eine Millionärin: Sie rückte keinen Cent heraus. Es lag also nahe zu vermuten, dass Reichtum eine Charakter Änderung hervorrufen kann.

Nach ein paar Wochen war das Geld aus der Steuerrückzahlung trotzdem verschwunden. Es war langsam aber stetig in den Haushalt geflossen und hatte einige Lücken gestopft, wenn der Verdienst nicht für die normalen Lebenshaltungskosten reichte. Es hatte sich zwar weder in einen Fernseher noch in ein Häuschen verwandelt, aber ein paar Wochen lang hatte Saga mit weniger Sorgen und Träumereien ein ruhiges, glückliches Leben geführt.