Ein Tisch und 4 Stühle

Nachdem sich Saga schon recht wohl in ihrer Garage fühlte, stellte sich doch ein Gefühl der Unzufriedenheit ein.

„Ich wohne zwar jetzt in einem größeren Zimmer, habe aber nicht die nötigen Möbel dazu. Ich habe mir überlegt, dass ich mir einen Tisch mit Stühlen besorgen werde,“ argumentierte Saga fast nach der Art des unzufriedenen Frauenzimmers im Märchen „Der Fischer und seine Frau“.

„Hast du denn das Geld dazu gespart?“ wollte E. neugierig wissen. „Kauf bloß nicht wieder etwas auf Schulden!“

Saga war an dem Morgen nicht bereit, sich zu unterhalten, und reagierte sehr heftig:

„Ihr Weißen leiht euch Geld bei der Bank und kauft, was ihr haben wollt. Dann zahlt ihr es zurück. Ich muss mir auch den Tisch und die Stühle auf Schuld kaufen, sonst komme ich nie zu etwas!“

„Das verstehe ich ja,“ erwiderte E. „Nur musst du auch daran denken, dass du die Möbel mit Zinsen zahlen musst. Das zieht sich wieder über Jahre hinweg. Im Moment stehen wir etwas besser da, was bedeutet, dass ich dir das Geld auslegen könnte. Du würdest es dann zinslos an mich zurückzahlen, statt mit Zinsen an das Geschäft.“

Irgendwie blieb Saga zornig. E. dachte sich, dass sie das Angebot wohl nicht ganz verstanden habe. Sie wartete den Mittag ab und erklärte die Möglichkeit nochmals. Saga sollte sich einen Tisch und vier Stühle aussuchen, Bescheid geben, und E. würde mit ihr losfahren, um den Kauf zu tätigen. Saga könnte die Raten dann an E. abzahlen.

Saga verblieb mit der Bemerkung, dass sie es sich überlegen wollte.

Zwei Wochen später erzählte sie: „Ich habe mir jetzt einen Tisch mit den passenden vier Stühlen bei der Firma Holzwurm besorgt. Das ganze kostet N$ 850,00 wovon ich N$150,00 angezahlt habe. Den Rest kann ich auf 24 Monate zu N$ 120 pro Monat abzahlen. Ich denke, dass ich das schaffen kann!“

„Das kann doch nicht wahr sein, Saga. Hast du dir überlegt, wie viel du da zahlst? Statt N$850,00 zahlst du 24 mal hundertzwanzig Dollar. Das sind 2 880 Dollar plus die Anzahlung, also mehr als dreimal soviel, wie der Tisch jetzt kostet.“

E. wurde richtig wütend bei soviel Unverstand. Sie holte einen Zettel und rechnete Saga vor, was sie genau zahlen müsste und wie viel sie eingespart hätte, wenn sie E.‘s Angebot akzeptiert hätte.

„Schau mal: Mit deiner Anzahlung hättest du nur noch 7 Monat zahlen müssen, und statt N120,00 sogar nur hundert Dollar pro Monat. Jetzt schenkst du den Leuten mindestens zwei extra Tische und verschuldest dich auf 2 volle Jahre.“

Saga wirkte geknickt und grübelte. E. ärgerte sich und hoffte, dass Saga es wenigstens auch innerlich in Saga brodeln würde.

Schließlich bot sie Saga noch einmal die Möglichkeit an, lieber das Angebot der zinslosen Leihe zu akzeptieren. E. wäre dann bereit, mit der Firma Holzwurm zu sprechen und den Tisch bar abzuzahlen.
Saga gab ihre Zustimmung und brachte die Kaufpapiere mit. Mit den Papieren bewaffnet trat E. den Weg zur Firma Holzwurm an und baute sich in ihrer vollen Größe vorm Geschäftsführer auf:

„Sagen Sie mal, schämen Sie sich nicht, solche Verkaufspraktiken durchzuführen, wo ein Kunde nachher das dreifache an Wert für ein Möbelstück zahlen muss? Ich habe hier die Papiere mit und möchte den Tisch und die Stühle bar zahlen. Machen Sie bitte die Rechnung fertig, damit das sofort erledigt wird!“ herrschte E. den verdutzten Herrn an und wedelt mit ihrem Scheckbuch.

„Das muss ich erst auf dem Computer nachlesen,“ rettet der Herr sich erstmal vor der geballten Zornesladung. Mit Anzeichen von Kompetenz und fachmännischen Blicken von Papier zu Bildschirm versuchte er, den Sturm zu bändigen und berechnete den ausstehenden Betrag:

„Ja, also wenn sie alles jetzt sofort zahlen möchten, ist die ausstehende Summe … N$ 1660,00!“

„Waaaaaaas?“ japste E. Ihr blieb fast die Luft weg, was äußerst selten vorzukommen pflegt. „Ich denke, das Zeugs kostete N$850,00 und es sei mit N$ 150,00 angezahlt worden? Soviel werde ich bestimmt nicht ausgeben wollen! Wo kommt denn diese Summe her?“

Der Herr legte den Computerausdruck vor. Darauf war angegeben: Transportkosten über hundert Dollar (für einen Abstand von nicht mal 2 Kilometern), Versicherungsgebühren im Falle von Zahlungsunfähigkeit, Bearbeitungsgebühren, unerklärliche Gebühren, d.h. er wusste selbst keine Erklärung für den Betrag. Alles in allem also diese wunderbare Summe! Da sage noch mal jemand, das Geld verlöre an Wert!

E. blies sich auf wie ein Luftballon und hatte Atem für eine ganze Schimpfkanonade, mit der sie ihre Meinung zu den Geschäftsgepflogenheiten kundtat. Der Herr blieb ganz ruhig, lies E. toben und studierte wohl insgeheim die Gesichtsmimik vor ihm.

Als E. nichts mit ihrer Meinung ausrichten konnte und sie ihren letzten Trumpf angedeutet hatte, nämlich einen Bericht in der Zeitung über diese Halsabschneidemethoden, überlegte sie schnell nach einer Alternative:

„Diese Frau kann den Betrag bestimmt nicht zahlen und wird sich nicht mal die monatlichen Raten leisten können. Außerdem hat ihre Tochter noch ein Kind bekommen. Da ist es ihr unmöglich, auch nur die Hälfte von den Raten zu zahlen. Was macht Ihr denn, wenn sie nichts zahlt?“

„Nach drei Monaten holen wir die Möbel wieder ab, und die Person verliert die Anzahlung,“ klärte der Herr Geschäftsführer auf.

„Ach so,“staunte E. „Nach drei Monaten könnte ich die Möbel also wieder bei ihnen im Laden finden und bar kaufen?“

„Ja, genauso ist es,“ bestätigte der Herr.

„Dann möchte ich gern wissen, warum ich dafür drei Monate lang warten muss“, erkundigte sich E. gespielt verwundert. „Wie ich schon sagte, wird die Frau den Tisch und die Stühle nicht zahlen können. Warum kann ich die Sachen dann nicht jetzt schon kaufen?“

„Da muss ich mich erst beim Vorgesetzten erkundigen,“ wich der Geschäftsführer aus. Der Verkaufsleiter aus Windhoek kommt in der nächsten Woche und wird darüber bestimmen.“

E. begab sich also nach Hause und informierte Saga über den Stand der Verhandlungen.

Saga war wütend: „Wie kannst du irgendetwas von meinen häuslichen Problemen erzählen. Was muss der Mann jetzt von mir denken? Warum hast du das mit dem Baby erwähnt?“
E. war im ersten Moment verblüfft. Was war denn hier los? Hatte sie etwa verkehrt gehandelt? Schließlich war sie bemüht, Saga einige tausend Dollar zu ersparen?

„Das Geschäft hätte auf den Kontrakt bestanden, um die idiotische Summe von dir herauszupressen. Ohne den Hinweis, dass du es nicht zahlen kannst, wäre er gar nicht zum Verhandeln bereit. Ich hätte ihm auch eine andere Geschichte vorlügen können, aber das liegt mir nicht. Gut, wenn ich verkehrt gehandelt habe, entschuldige ich mich. Ich musste aber so auftreten, damit der Kontrakt rückgängig gemacht werden kann. Schon jetzt wollen sie das Doppelte für deinen Einkauf. – Nebenbei bemerkt: Auf dem Weg nach Hause habe ich in einem anderen Laden hineingeschaut und habe den gleichen Tisch, auch mit 4 Stühlen und nur mit einem anderen Muster für N$600,00 gefunden. Wenn du also die Ware zurückgibst, kannst du sogar weitere N$ 250,00 sparen.“

Saga blieb ärgerlich und E. fragte sich mal wieder, warum sie sich überhaupt in die Angelegenheiten eingemischt habe.

„Undank ist der Welt Lohn,“ dachte sie bei sich und wollte der Firma Holzwurm, Saga und allen möglichen Tischen und Sitzgelegenheiten den Rücken kehren.