Meine Schwester

Christine, geboren 1954 in Nordhausen, Kreis Nordhausen, Bezirk Erfurt, Deutsche Demokratische Republik als Kind der Eheleute Franz S. (* 06. Mai 1928 Mannheim – † 05. Mai 2007 Weißenfels) und der Alwine Veronika Renate H. (* 06. Juni 1932 Wippra – † 04. Februar 2006 Sondershausen).

Ihre Eltern hatten am 17. September 1953 in Sondershausen geheiratet, weil Christine „unterwegs“ war und lebten dann in Sondershausen Stockhausen in der Max Reimann Straße (vormals Bahnweg). Sie wohnten im Dachgeschoß des Hauses von Renates Eltern und ihrer Schwester Linde. Franz hatte als Handwerker mit viel Geschick, ein gemütliches Plätzchen geschaffen in dem alten Haus. Renate war Geigerin beim Lohorchester in Sondershausen und Franz Glaser in der Firma seines Vaters.

Christine lebte bis zu ihrem 4. Lebensjahr zusammen mit ihren Eltern in Sondershausen-Stockhausen. Die Ehe ihrer Eltern zerbrach jedoch und wurde 13. Februar 1958, eine Woche vor ihrem 4. Geburtstag in Sondershausen geschieden. Christine blieb bei der Mutter, die vorerst in Sondershausen-Stockhausen bei ihren Eltern wohnen blieb.

Ihr Vater lernte eine neue Frau kennen und bereits im Februar 1959 lernte Christine ihre „Stiefmutter“ Anneliese kennen, als sie an der Hand Ihrer Großeltern ein erstes Zusammentreffen erlebten. Sie fasste die Hand von Anneliese und lies sie nicht wieder los. Bis zur Heirat ihres Vaters mit der neues Frau hatte sie selten Kontakt zu ihrem Vater. Dies änderte sich erst nach der Eheschließung ihres Vaters mit Annelise am 20. Juni 1959. Bis zu ihrer Einschulung ging sie mehr oder weniger regelmäßig zu ihrem Vater, der bei ihrer Einschulung jedoch nicht dabei sein durfte. Sie besuchte von 1960 bis 1968 die POS „Glückauf“ in Sondershausen-Stockhausen.

Ihre Mutter heiratete 1961 den 20 Jahre älteren Generalmusikdirektor Gerhart W. und zog mit diesem in eine Wohnung im Jechaburger Weg in Sondershausen. Christine musste bei Ihren Großeltern wohnen bleiben. Christine hatte dort kein eigenes Zimmer, ja nicht einmal ein eigenes Bett. Sie schließ auf dem Küchensofa. Eine schöne Kindheit sieht sicherlich anders aus.

Ihre Mutter und ihr Stiefvater bekamen 1962 ein weitere Tochter, Christines Schwester U. Christine war 8 Jahre alt. Ute wuchs bei ihren Eltern, aber auch bei ihren Großeltern auf. Die Eltern waren durch ihr musikalisches Engagement viel unterwegs.

Im Mai 1966 wurde in der Ehe ihres Vaters mit seiner neuen Frau ihre Schwester C. geboren. Da war Christine bereits 12 Jahre alt. 1968, als sie 14 war wurde ihr Bruder Wolfram geboren. Da sie nur selten bei ihrem Vater war, hatte sie wenig Kontakt mit ihren Geschwistern von des Vaters Seite.  Mit ihrer Schwester Ute war der Kontakt in ihrer Jugend enger.

Christine lebte in einer Art Zwischenwelt zwischen Mutter, Vater und Großeltern. Sie fühlte sich nirgends wirklich dazugehörig. Auch bei ihren Großeltern war nicht wirklich ein Platz für sie. Wenn sie in dieser Zeit ihren Vater besuchte, machte man ihr ein schlechtes Gewissen mit Worten wie „uns bricht das Herz, wenn Du dorthin gehst“ auch war sie nicht gut gekleidet, wenn man sie zum Vater ließ. Die Stiefmutter Anneliese nähte ihr als gelernte Schneiderin so manches Kleid und manchen Mantel. Diese Kleidungsstücke durfte sie aber nicht mit zurück zu ihren Großeltern nehmen, es war ihr nicht erlaubt Dinge von ihrem Vater mitzubringen.

Von 1968 bis 1972 besuchte sie das staatliche Gymnasium „Geschwister Scholl“ in Sondershausen. Während dieser Zeit verbrachte sie einmal, gemeinsam mit einer Freundin [Mechthild] einen Urlaub an der Ostsee mit der Familie ihres Vaters.

Auf Wunsch ihrer Oma Martha begann sie nach bestandenem Abitur Musik zu studieren. Sie war jedoch absolut unmusikalisch, so dass sie das Studium alsbald wieder abbrach. Sie begann an der Pädagogischen Hochschule in Mühlhausen auf Lehramt zu studieren und wohnte in einer kleinen Studentenbude. Ihr Vater brachte ihr Holz und Kohlen für den Winter und Dinge des täglichen Bedarfes. Ihre Stiefmutter Anneliese nähte ihr einen Wintermantel.

Ihren Vater besuchte sie nur noch selten. Wie es so ist in diesem Alter hatte sie einen Freund. Einen jungen Mann namens W., gebürtig aus Erfurt. Er war Soldat in Mühlhausen.  Dieser verstand sich sehr gut mit ihrem Großvater in Stockhausen. Sie verlobten sich. Die Verlobung wurde auch mit ihrem Vater und ihren Geschwistern in dessen Haus gefeiert. Ihre Stiefmutter Anneliese buk ihr eine Verlobungstorte. Lange hielt diese Beziehung aber leider nicht, weil Christine unbedingt ein Kind wollte und der junge Mann dazu noch nicht bereit war. Ein Arzt hätte ihr wohl dazu geraten, sonst sei es zu spät. Wobei diese Aussage des Arztes sehr anzuzweifeln ist.

Alsbald hatte sie einen neuen Mann an ihrer Seite, auch ein Lehramtsstudent. Sein Name war Manfred Eduard J. Sie stelle ihn ihrem Vater unvermittelt vor. Seit ihrer Verlobung mit Herrn W. hatte sie sich bei ihrem Vater nicht mehr gemeldet. Nun wurden Tatschen geschaffen. Eines Tages erschien sie mit dem rotgelockten Mann Hand in Hand ohne Voranmeldung bei ihrem Vater zu Hause. Im Juli 1974 fand dann die Hochzeit in der Gaststätte „Zum Borntal“ in Sonderhausen statt. Sie war gerade 20 Jahre alt und kannte sie Manfred angeblich gerade mal circa 6 Wochen.  Ihren Vater lud sie zu ihrer Hochzeit nicht ein.

Sie lebte mit ihrem Mann Manfred zuerst in Glauzig bei ihren Schwiegereltern. Bereits 9 Monate nach der Eheschließung, im April 1975, wurde ihre Tochter R. geboren. Die kleine Familie zog nach Kleinpaschleben. Die Ehe jedoch war nicht von langer Dauer. Was wohl auch daran lag, dass Christine das ausschweifende Leben liebte. Feiern mit reichlich Alkohol führten zu Tanzeinlegen der nackten Christine auf dem Küchentisch, während „das halbe Dorf“ dabei zusah. Die Scheidung erfolgte im Oktober 1977 in Köthen.

Eines Tages stand sie dann mit der kleinen Regine bei ihrem Vater vor der Tür. Es war einer ihrer sehr seltenen Besuche, der wohl dem Umstand zu verdanken war, dass sie mal wieder irgendetwas brauchte.

Bereits ein Jahr später, im Oktober 1878, heiratete Christine erneut. Der neue Ehepartner war Hansi Rudi F., geb. im September 1949 in Drosa. Sie hatte ihn irgendwann kennen gelernt und schuf vollendete Tatsachen, als sie während eines beruflichen Auslandsaufenthaltes von Hansi einfach in seinem Elternhaus in Drosa einzog und gegenüber seinen Eltern behauptete, das sei so abgesprochen. Ihrem Vater teilte sie Ihre Scheidung und erneute Eheschließung eher nebenbei mit. Sie meldete sich eines Tages per Brief und bat, zu Besuch kommen zu dürfen, da ihr derzeitiger Ehemann seinen Schwiegervater gerne kennen lernen wolle. Sie hatte inzwischen mit Hansi Sohn S. bekommen.

In den folgenden Jahren lebte sie zusammen mit Hansi und den beiden Kindern in Drosa im Elternhaus ihres Mannes. In diesem Haus lebten auch ihre Schwiegereltern in eine separaten Wohnung. Sie kümmerte sich nach ihren Möglichkeiten um den Haushalt. Ihre Arbeit hatte sie aufgegeben.

In den folgenden Jahren von circa 1982 bis 1996 bestand guter Kontakt zwischen Christine und Ihrem Vater sowie zu den Geschwistern Cordula und Wolfram. Man besuchte sich oft. Hansi war beruflich in dieser Zeit sehr viel in Russland und halb beim Bau der „Druschba-Trasse“[1]. Christine nutzte die Zeiten seiner Abwesenheit um ihren „Vergnügungen“ nach zu gehen, was ihren Schwiegereltern, in deren Haus sie ja lebten nicht verborgen blieb. Nachdem die Firma ihres Vaters nach der „Wende“ Konkurs anmelden musste (siehe Biographie des Vaters) entschied man, dass Vater und Stiefmutter mit in Hansis Elternhaus ziehen sollten und wollte es zu diesem Zwecke umbauen. In der Zeit von 1995 bis Anfang 1997 wohnte ihr Vater mit Frau deshalb übergangsweise im Nachbarort Diebzig und begann mit seinem Schwiegersohn Hansi das Haus in Drosa auszubauen. Zu einem Einzug kam es aber nicht, denn das Bauprojekt wurde nicht fertig gestellt und ist es auch bis heute nicht. Es entwickelten sich Diskrepanzen zwischen Vater und Tochter sowie dem Schwiegersohn. Das war wohl auch auf die Verschlechterung der Beziehung zwischen Christine und ihrem Mann Hansi zurückzuführen, die durch die jahrelangen Eskapaden von Christine in Hansis Abwesenheit entstand. Der Vater zog 1997 zu seinem Sohn nach Großkorbetha und der Kontakt zu Christine wurde immer weniger.

Anfang Februar zog Christine bei ihrem Mann in Drosa aus und bezog eine Wohnung in Köthen in der Schalaunischen Straße, wo sie heute noch wohnt. Die inzwischen erwachsenen Kinder ließ sie in Drosa beim Vater. Nur wenige Monate später, im Januar 1999 verstarb der Hansi an einem Herzinfarkt. Ihre Tochter R. heiratete im Juli 1999 und zog nach Calbe, Sohn S. blieb in Drosa wohnen.

Seit ca. 1998 wohnt sie alleine in Köthen. Nach dem Tod ihres Mannes spielte sie sehr gekonnt die trauernde Witwe, obwohl sie schon während der Ehe immer wieder Affähren hatte. In den Folgejahren hatte sie immer wieder Beziehungen mit viel jüngeren Männern und führte sich auf wie ein Teenager.

Anfangs hat sie noch hin und wieder Ihre Tochter in Calbe und später auch ihre Enkelkinder besucht. Inzwischen hat sie seit Mitte der 2000er Jahre nur noch sehr wenig Kontakt zu Ihrer Familie. Ihre Tochter Regine hat Anfang 2018 den Kontakt komplett abgebrochen und ihre Mutter für tot erklärt. Christine lebt heute einsam in Ihrer Wohnung mit ihren Katzen und häkelt Deckchen.

Es ist wohl so, dass Christine seit frühester Jugend sehr Ich-bezogen ist und das mit den Jahren auch immer mehr zugenommen hat. Ursache dafür ist wohl auch eine Psychische Erkrankung, die in der Familie ihrer Mutter ihren Ursprung hat. Christine ist nur an anderen Menschen interessiert, wenn sie sich einen Vorteil davon erhofft. Danach erlischt ihr Interesse sofort. Unter ihrem Verhalten haben alle Familienmitglieder, auch die Geschwister, gelitten. Ein wirklich geschwisterlicher Kontakt besteht seit vielen Jahren nicht mehr.


[1] Die Druschba-Trasse, benannt nach dem russischen Wort Дружба für „Freundschaft“, war ein Bauabschnitt der insgesamt 2750 Kilometer langen Erdgasleitung „Sojus“. Gebaut wurde die „Trasse“ von der Deutschen Demokratischen Republik als Zentrales Jugendobjekt der Freien Deutschen Jugend. Während der Konstruktion von 1974 bis 1978 erhielten die beteiligten verschiedene RGW-Länder je einen etwa 550 Kilometer langen Bauabschnitt. In späteren Jahren wurde die Erdgasleitung weiter ausgebaut und erneut wurden die Abnehmerländer zu Bauarbeiten herangezogen. Die für den Zeitraum 1982 bis 1993 der DDR zugeteilten drei Bauabschnitte der Erdgastrasse wurden diesmal durch eine Vielzahl von DDR-Betrieben mit über 10.000 Arbeitern und auch einigen Studenten gebaut. Die dort Arbeitenden durften die Hälfte ihrer in Rubel ausgezahlten Tagegelder auf ein Genex-Konto („Ost“) einzahlen, welche in Mark der DDR umgerechnet wurden, und dann entsprechende – im DDR-Einzelhandel nur schwer erwerbbare – Waren aus dem Genex-Katalog „Ost“ bestellen.

Weitere Vergünstigungen waren der sogenannte „Trassenzuschlag“ in Höhe von 25 Mark der DDR, der pro Arbeitstag berechnet und gemeinsam mit dem Lohn/Gehalt überwiesen wurde, sowie die sogenannte „Autokarte“. Letztere war ein Sonderbezugsschein für einen Pkw nach Wahl, der nach drei Jahren ununterbrochener Trassentätigkeit übergeben wurde und mit dem nach einer weiteren Wartezeit von etwa zwei Jahren ein Pkw bezogen werden konnte

Quelle: Familienchronik