Mein Bruder

Wolfram, geboren am 26. Dezember 1968 im Kreiskrankenhaus in Sondershausen, Kreis Sondershausen, Bezirk Erfurt, Deutsche Demokratische Republik als Kind der Eheleute Franz S. (* 06. Mai 1928 Mannheim – † 05. Mai 2007 Weißenfels) und der Anneliese R.

Wolfram wurde hineingeboren in eine liebevolle Familie, die außer aus seinen Eltern noch aus seiner Schwester C. und seiner viel älteren Halbschwester Christine bestand.

Die Familie wohnte in einem Einfamilienhaus in der Goethestraße 9, am Rand der Stadt. Außerdem waren da noch 3 Großeltern, die mit in diesem Haus lebten.
Das Haus lag im Grünen und hatte einen großen Garten. Viel Platz, um sich als Kind auszutoben. Die Kinderzeit war unbeschwert im Kreise einer großen Familie und mit vielen Freunden.

Der Vater war Glasermeister und hatte eine eigene Firma in der in Sondershausen, in der er Fenster, Türen herstellte und Inneneinrichtungen anfertigte. Die Mutter war zu Hause und kümmerte sich ausschließlich um die Kinder und das Haus.

Mit sechs Jahren wurde Wolfram am  01. September 1975 in die POS „Ernst Thälmann“ eingeschult. Die Schule war nur einen knappen Kilometer vom Elternhaus entfernt. Zur Schule wurde jeden Morgen gelaufen. In der ersten Zeit in Begleitung der Mutter oder der Großmutter, später allein oder zusammen mit der Schwester.

Nach zehn Jahren Schule beendete er diese 1985 mit einem guten Ergebnis. Er begann eine Glaserlehre im väterlichen Betrieb. Im Juni 1987 machte er seinen Abschluss als Rahmenglaser und begann im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten.
Im Jahr 1989 begann sich das gewohnte und durch das Leben in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vorgezeichnete Leben zu ändern. Politische Unruhen führten zu einem Prozess gesellschaftspolitischen Wandels, der in einer sogenannten Wende oder friedlichen Revolution in der DDR gipfelte und die deutsche Wiedervereinigung im Oktober 1990 möglich machte. Diese grundlegenden Veränderungen führten dazu, dass sich auch das Leben von Wolfram änderte. Der Vater wollte seinen Betrieb vergrößern und versuchen neue Chancen zu nutzen. Das stellte große Herausforderungen auch an Wolfram, der sich mit neuen verantwortungsvolleren Aufgaben konfrontiert sah.

In der Zwischenzeit hatte Wolfram eine Frau kennen gelernt. Im Jahr 1991 heiratete er Doreen, geb. S. in Arnstadt. Im August desselben Jahres wurde der gemeinsame Sohn M. geboren. Die junge Familie wohnte im Elternhaus von Wolfram, gemeinsam mit seinen Eltern und den mütterlichen Großeltern. Der Vater baute das Haus weiter aus, um der Familie ein gemütliches Nest zu schaffen. Die Schwester C. hatte inzwischen eine eigene Familie und war ausgezogen, so dass der Platz in dem großen Haus gegeben war.

Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass Wolfram in der Welt seines Vaters er nicht wirklich zu Hause war. Die komplexen Aufgabenstellungen im wachsenden elterlichen Betrieb überforderten ihn mehr und mehr. Die neue Zeit stellte neue Reize, denen er sich gerne ergab. Sein Interesse galt schon immer sehr der Elektronik. Spielautomaten und Computer interessierten Wolfram zunehmend mehr als seine Arbeit und auch als seine kleine Familie. Eine Unterstützung für seinen Vater war er immer weniger.

Anfang des Jahres 1994 begann sein Leben auseinander zu brechen. Der Vater musste mit seiner Firma Insolvenz anmelden und die Ehe von Wolfram ging in die Brüche. Die Scheidung erfolgte im Dezember 1996 vor dem Amtsgericht in Sondershausen. Zu dieser Zeit lebte er aber schon einige Zeit wieder allein.

Auf Grund der Insolvenz des Vaters verlor er nun auch sein zu Hause, denn das Elternhaus wurde verkauft. Die Eltern zogen 1995 zu seiner Halbschwester Christine und er war in seiner Heimatstadt sich selbst überlassen. Ein junger Mann von 26 Jahren, der noch nie wirklich auf eigenen Beinen gestanden hat.

Wolfram zog in eine Wohnung in der Ferdinand-Schlufter-Straße und machte sich im September 1994 mit einem Glasservice in in Sondershausen selbständig. Da sein Interesse am erlernten Beruf jedoch nicht mehr bestand und er plötzlich sich selbst überlassen war, kam dieses Unternehmen nie in Schwung. Sehr schnell stellten sich die ersten Schulden ein. Das Leben wurde zu einem sogenannten Lotterleben. Er umgab sich mit „Freunden“ die ihm nicht gut taten und lebte ziemlich in den Tag hinein.

In dem Haus, in dem er wohnte lernte er eine neue Frau kennen. Diese hatte eine kleine Tochter und bisher kein schönes Leben gehabt. Sie war mit dem Kind in Sondershausen bei einer Freundin gestrandet. Die neue Freundin Elenor H. stammte ursprünglich aus Weißenfels. Es dauerte nur wenige Monate, bis er alles stehen und liegen ließ und mit ihr Sondershausen verließ. Er löste seine Firma nicht auf und kündigte auch seine Wohnung nicht. Mit der neuen Lebensgefährtin und deren kleiner Tochter S.kaufte er gegen Ende 1996 ein Haus, bzw. einen kleinen Vierseiten-Hof in Großkorbetha. Großkorbetha liegt zwischen Weißenfels und Bad Dürrenberg, nordwestlich des Autobahnkreuzes Rippachtal am linken Saaleufer und gehört inzwischen (seit 2010) zur Stadt Weißenfels.

Im Jahr 1997 nahm er dann auch seine Eltern mit in sein Haus auf und stellte ihnen zwei Zimmer zur Verfügung. Die geplante Wohnsituation der Eltern bei der ältesten Tochter des Vaters war nicht mehr gegeben gewesen. So hatte Wolfram seine Eltern bei sich und sein Vater kümmerte sich mit seinen fast 70 Jahren um das Haus und das Grundstück seines Sohnes.

Wolfram hatte sich 1996 erneut selbständig gemacht, auch wenn die alte Firma noch nicht abgewickelt war. Diesmal agierte er als freier Handelsvertreter. Zwei Jahre hatte er dieses Gewerbe inne und es lief mehr schlecht als recht. Der Schuldenberg wuchs. Er nahm eine für ein Jahr befristete Anstellung in einem Textilservice Betrieb in Weißenfels als Leiter Produktionsplanung an, die er nach 8 Monaten verlor. Im Jahr 1999 versuchte er einen Wiedereinstieg in seinen erlernten Beruf mit einer Festanstellung in einer Fensterbaufirma, der nur 6 Monate anhielt. Danach arbeitete er im Globus Baumarkt als Kundenberater, wo er nach 10 Monaten auch das Handtuch schmiss.

Mit seiner Lebensgefährtin Elenor H. bekam er im Januar 2000 Tochter S.. Er machte eine Ausbildung zum IT-System Elektroniker, die er 2003 beendete und sich mit einem Softwareservice selbständig machte. Mit diesem Gewerbe war er dann bis 2007 als selbständig gemeldet. Umsatz machte er mit dem Geschäft aber auch nicht, da er noch immer nicht in der Lage war, sich zu organisieren. Er versuchte zwischendurch immer wieder mit Anstellungen sein Einkommen aufzubessern, jedoch hielt keine Anstellung lange.

Unter diesen Umständen hielt auch die Beziehung mit Elenor nicht. Sie trennte sich nach unschönen Vorfällen 2006 von ihm und zog mit beiden Mädchen aus. Auch das Haus wurde von der Bank zwangsvollsteckt, da der Schuldenberg inzwischen immens angewachsen war und auch der Kredit nicht mehr bedient wurde. Die Eltern mit ihrer Rente konnten da auch nicht helfen. Sie suchten sich eine Wohnung in Weißenfels und zogen aus.

Von 2007 bis 2010 musste Wolfram eine Haftstrafe wegen Missbrauchs absitzen. Im Jahr 2004 hatte er bei einem Besuch seiner Schwester in Großkorbetha seine 14jährige Nichte angegrabscht. Diese hatte jedoch umgehend Großmutter und Mutter über den Vorfall informiert. Dabei ist herausgekommen, dass er sich auch am mit in die Familie gebrachten Kind seiner Lebensgefährtin vergriffen hatte und ein weiteres Mädchen im Freundeskreis bereits unsittlich berührt hatte. Die Eltern, vor allem der Vater wollte diese Vorwürfe zu dem Zeitpunkt jedoch nicht wahrhaben. In Folge dieser Begebenheit stellte sich jedoch auch heraus, dass er sich in der Zeit zwischen 1982 und bis ungefähr 1995 auch an den Kindern von seiner Schwester Christine vergriffen hatte. Leider dauerte es noch bis Anfang 2006 bis sich seine Lebensgefährtin von ihm trennte und ihn wegen Kindesmissbrauchs anzeigte. Seine Schwester hatte 2004 auf eine Anzeige verzichtet, da die Mutter drohte, sich umzubringen. Mit der Anzeige von Lebensgefährtin Elenor kam der Stein dann ins Rollen.

Sein Vater starb kurz nach dem Haftantritt seines Sohnes, weil er das alles mental nicht bewältigen konnte, er hatte sich aus Gram aufgegeben.

Während der Haftzeit machte Wolfram eine weitere Ausbildung zum Mechatroniker und lernte Englisch. Außerdem brachte er mittels einer Privatinsolvenz Ordnung in sein finanzielles Chaos.

Nach seiner Haftentlassung zog er in eine Plattenbauwohnung in Halle an der Saale und arbeitete durchgehend in seinem neu erlernten Beruf als Mechatroniker in verschiedenen Unternehmen. Anfang 2015 wurde ihm für seine Schulden eine Restschuldbefreiung gewährt. Von nun an lebte er allein und in geordneten Verhältnissen in Halle und arbeitete in verschiedenen Firmen als Mechatroniker.

Wolfram verstarb in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2021 in Folge eines Herzinfarktes. Als Ursache dafür kann sowohl sein starkes Rauchen als auch eine 6 Wochen zuvor erfolgte Coronaimpfung angesehen werden. Er wurde am 29. August 2021 auf dem Hauptfriedhof in seiner Heimatstadt Sondershausen auf dem Familiengrab beigesetzt.

Als Nachtrag ist noch hinzuzufügen, dass er sich um seine Kinder M. und S. nie wirklich gekümmert hat. Unterhalt für M. hat er nie gezahlt, für S. notgedrungen auf Grund einer Auflage erst nach seiner Haftentlassung.

Quelle: Familienchronik