Beitragsseiten

Eine kritische Betrachtung von Thilo Knop

Zur Erinnerung:
Der Begriff Stalking bezeichnet ein komplexes Täterverhalten. Es geht hier um absichtliches, böswilliges und mehrfaches Verfolgen, Überwachen und sonstiges Belästigen einer Person, so dass deren Sicherheit bedroht wird. Häufig – aber nicht immer – beruht es auf dem Begehren des Täters oder der Täterin (genannt „Stalker“), das Opfer (genannt „Stalkee“) zu einer Beziehung mit ihm zu bewegen oder aber dieses zu schikanieren, weil es sich weigert, dem Ansinnen des Täters (83% männliche Täter) zu folgen. Im weitesten Sinne kann hier also von „Psychoterror“ gesprochen werden, der in der Regel auf den Wahnvorstellungen des Täters beruht, das Opfer werde oder müsse die Zuneigung des Täters erwidern. Wenn der Täter merkt, dass sein Bemühen um Aufmerksamkeit erfolglos bleibt, kann seine Motivation in Hass, Rache oder Vergeltung umschlagen. Die Bezeichnung „Liebeswahn“ ist jedoch kein Synonym für Stalking, sondern lediglich der Grund, warum ein Teil der Täter handelt.

Heute wird oft auch dann von Stalking gesprochen, wenn eine solche Motivation des Täters, also ein enges Verhältnis zum Opfer herzustellen, nicht vorliegt – salopp gesagt: wenn der Täter von vornherein keine Zuneigung („Liebe“) gegenüber dem Opfer empfindet, sondern wenn er es ausschließlich, aus welchen Gründen auch immer, drangsalieren will. Ein Motiv hierfür kann in Rachegelüsten des Täters für vermeintliche erlittene Kränkung oder Rechtsverletzung liegen.

Stalking muss letztendlich als das angesehen werden, was es ist: ein höchst perfides Täterverhalten.

Die Gegenwart:
Die Medien greifen seit geraumer Zeit immer häufiger diesen Begriff auf und versuchen die Gesellschaft zum Teil mit dramatischen Beiträgen über dieses Phänomen aufzuklären. Zuletzt zeigten die Sendungen „Report“ aus Mainz und „Stern TV“ tödliche Ereignisse – aber auch traumatisierte Stalkingopfer. Dazwischen liegen eine Spanne unendlichen Leids und verzweifelte Versuche der Opfer Hilfe zu erlangen. In nahezu allen Fällen sind die Anfänge des Stalking als solche nicht oder kaum erkennbar gewesen. Übereinstimmend berichteten Opfer anfänglich von einer „komischen Sache“ bzw. einem „Gefühl der inneren Unruhe“ - für ein juristisches Manifestieren somit in noch unendlicher Ferne.

Die Frage sollte nicht mehr lauten: was ist Stalking, sondern vielmehr: Wie geht die Polizei damit um?
Diese Fragestellung sollte umso mehr in den Focus gerückt werden, wenn sämtliche Medienveröffentlichungen und Umfragen miteinander verglichen werden und als Tenor in über 90% der befragten Stalkingopfer der immer wiederkehrende Satz hervorsticht: Die Polizei konnte mir nicht helfen.
Stalking, so hat ein australischer Psychiater gesagt, ist „emotionale Vergewaltigung und psychischer Terrorismus“. Umso wichtiger ist es deswegen, die Öffentlichkeit zu informieren und Betroffenen Tipps zu erteilen, um Täter bei ihrem verhängnisvollen Treiben frühzeitig zu stoppen. Ziel muss es sein, dass Opfer die Freiheit über ihr Leben zurückgewinnen.

„Häusliche Gewalt“, ein Teilbereich des Stalking
Beim Vergleich internationaler Studien mit den deutschen ist festzuhalten, dass zwischen 49-56% aller Stalkingfälle aus dem Bereich der engen sozialen Beziehung kommen. Aus hiesiger Sicht wird es mit dem unpassenden Oberbegriff der „häuslichen Gewalt“ belegt. Spätestens seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes rückte die Polizei ihr professionelles Handeln, zumindest was den Ersten Angriff betrifft, verstärkt und zunehmend in den richtigen Blickwinkel. Die polizeilichen Einsätze aus dem Bereich der „häuslichen Gewalt“ gehören mithin zu den schwierigsten.
Der erste Eindruck zeigt Professionalität, doch was kommt danach? Gemeint ist hier nicht die Wegweisung aus der Wohnung oder das in-die-Hand-drücken von Flyern der Beratungsstellen oder der Frauenhäuser, gemeint ist hier die Empathie, was haben die meist weiblichen Opfer durchgemacht, warum handelten sie so und werden voraussichtlich wieder zurückkehren und unter welch besonderen Kriterien muss die Vernehmung geführt werden? Wer weiß wirklich, wie es nach einer Trennung weitergeht? Welche Beamtin oder Beamte ist geeignet, wer hat Fachkenntnisse und wer zeigt Engagement? Wenn den Opfern wirklich geholfen werden soll, ist dieser zweite Schritt genauso wichtig wie der erste, mehr noch, denn hier kommen psychologische, soziologische und juristische Elemente zum Tragen, die durch die Ermittlungsarbeit, meist in Form der Vernehmung, so komplex dargestellt werden müssen, dass sie die hohen Hürden bei der Staatsanwaltschaft und erst recht bei Gericht nehmen sollen. Die Erfahrungen aus der Praxis belegen jedoch hier das Gegenteil. Recherchen bei Staatsanwaltschaften im Jahr 2003 ergaben, dass die Verurteilungen bei lediglich 10% lagen. Die Professionalität ist daher nicht mehr in dem Maße vorhanden wie sie nach außen dargestellt wird. Defizite auf breiter Front bilden leider den Schwerpunkt. Die meisten Verfahren mussten eingestellt werden, weil die polizeilichen Ermittlungen eben nicht den Ansprüchen zur Erhebung der öffentlichen Klage genügten. Zwar wurden durch Studium und Weiterbildungsangebote Verbesserungen erzielt, doch ist es zumeist ein personelles bzw. in den mehrheitlichen Fällen ein organisatorisches Problem innerhalb des polizeilichen Apparates. Um aus der Sicht der Opfer zu sprechen, allein der Wille zur konsequenten Durchsetzung fehlt.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.