Der allgemeine Rechtsrahmen – eine grobe Skizze
Die strafrechtliche Perspektive
Das Bundesjustizministerium weist darauf hin, dass Opfer von Stalking-Attacken keineswegs rechtlos sind. In vielen "Graubereichen" stellt sich die Herstellung eines effektiven Rechtsschutzes allerdings als schwierig dar, weil die Handlungen rechtlich wenig greifbar und beweisbar sind. Dies gilt insbesondere für Fälle des Internet-Stalking.
Seit dem 31.03.2007 ist das Anti-Stalking-Gesetzt in Kraft. Es ergänzt die bereits geltenden Strafnormen, die Ausschnitte des Stalking unter das Verdikt der Rechtsordnung stellen. Das Gesetz sieht neben der Ergänzung des StGB auch eine Änderung der Strafprozessordnung (StPO) vor. Dort wird u.a. der Haftgrund der Wiederholungsgefahr des § 112a StPO insoweit ergänzt, als in schwerwiegenden Fällen auch gegen gefährliche Stalking-Täter die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn schwere Straftaten gegen Leib und Leben zu befürchten sind.
Nachweisbare Stalking-Handlungen erfüllen auch andere Straftatbestände wie die der Äußerungsdelikte (Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, §§ 185 – 192 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Körperverletzung (§§ 223 ff StGB), sexuelle Nötigung (§ 178 StGB) Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) sowie Computerdelikte wie §§ 202 a, 303 a und b StGB.
Als besonderes, bislang wenig gesehenes Problem kommt Stalking gegenüber Kindern oder Heranwachsenden als Sonderproblem der Pädophilie in Betracht, auch im Internet. Hinzu gekommen ist nunmehr mit § 201 a StGB erstmals eine Norm, die Handlungselemente typischen Stalkings unter Strafe stellt, aber gewisse Auslegungsprobleme aufwirft ("Spanner-Paragraph").
Diese Norm schützt davor, dass jemand von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum aufhält, unbefugt Bildaufnahmen herstellt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich vorsätzlich verletzt, sie gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht oder aber eine befugt hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten und dadurch deren besonders geschützten Lebensbereich verletzt. Schwierigkeiten bereitet hier zu einen die Bestimmung des besonders geschützten Raumes und des besonders geschützten Lebensbereiches, zu denen die Gesetzesmaterialien nicht sonderlich ergiebig sind.
Der strafrechtliche Schutz unterhalb schwererer Delikte wie sexueller Nötigung oder schwerer Körperverletzung ist nicht sonderlich effektiv. Angesichts der hohen Überlastung der Ermittlungsbehörden wird bei den Katalogtaten des § 374 StPO gern von einer Verneinung des öffentlichen Interesses an der Anklageerhebung Gebrauch gemacht und der Verletzten oder dem Verletzten die Erhebung einer Privatklage anheim gestellt – Eine allein schon wegen des bei einigen Delikten wie den Äußerungsdelikten obligatorischen Sühneversuchs vor einem Streitschlichter langwierige und wegen des Gebührenvorschusses des § 379 a StPO teure Vorgehensweise.
Oft scheitert der Klage-Erfolg an Beweisproblemen, da eine Privatklageschrift den Anforderungen an eine staatsanwaltschaftliche Anklageschrift genügen muss, sodass die Kostenlast beim Kläger verbleibt. Die Erhebung einer diesbezüglichen Klage bedarf nicht der vorherigen Einschaltung der Staatsanwaltschaft, die das Verfahren allerdings nach Klageerhebung an sich ziehen kann. Dies sollte allerdings von der Erstattung von Strafanzeigen oder der Stellung von Strafverfolgungsanträgen durch Betroffene nicht abhalten, wobei letztere innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt werden müssen.
Der wirklich effektive strafrechtliche Schutz vor Stalking erfasst in der Realität oftmals nur Delikte schwererer Kategorie wie der sexuellen Nötigung. In diesen Fällen ist die Schwelle von der Gefährdung des Opfers hin zur unmittelbaren Schädigung dann schon deutlich überschritten. Dabei ist niemals ganz auszuschließen, das der ggf. wahnhaft handelnde Täter schuldunfähig nach § 20 StGB oder jedenfalls vermindert schuldfähig nach § 21 StGB ist.
Die zivilrechtliche Schutzperspektive
Der strafrechtliche Schutz soll durch das Gewaltschutzgesetz, in Geltung seit Januar 2002, ergänzt werden. Dieses Gesetz ergänzt die Möglichkeiten einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch insbesondere wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung nach §§ 823 I oder § 823 II i.V.m. einem Schutzgesetz und 1004 I BGB analog zu erwirken, indem zunächst bei Körper-, Gesundheits- und Freiheitsverletzungen nach § 1 I 2 GewSchG das zuständige Gericht bestimmte konkrete Anordnungen treffen kann, etwa und insbesondere Aufenthalts- und Näherungsverbote aussprechen kann.
§ 1 II Nr.2 GewSchG erstreckt dies auf zwei bestimmte Formen der Belästigung, auf das wiederholte Nachstellen gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Opfers und die Verfolgung unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln. Letztere Alternative zielt insbesondere auf das Unterbinden telefonischer Belästigungen, deren Nachweis bei verdecktem Stalking oft nur über Fangschaltungen erfolgt.
Die betreffenden Schutzanordnungen können zivilrechtlich mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nach § 892 a ZPO vollstreckt werden. Verstößt der Täter gegen diese Schutzanordnungen, macht er sich nach § 4 GewSchG strafbar. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Nachstellungen, die nicht von den Straftatbeständen des Strafgesetzbuchs erfasst werden, strafrechtlich sanktioniert werden.
Es besteht auch jenseits des Anwendungsbereiches des GewSchG bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Möglichkeit der Erwirkung zunächst einer einstweiligen Unterlassungsverfügung nach §§ 935, 940 ZPO ggf. mit nachfolgendem Hauptsacheverfahren insbesondere wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen nach § 823 I BGB sowie nach § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz wie etwa den strafrechtlichen Äußerungsdelikten oder jetzt § 201 a StGB.
Die entscheidenden Probleme liegen auch hier regelmäßig bei der Darlegungs- und Beweislast.
Dieser Weg ist jedoch allemal effektiver als der Weg über das Strafverfahren, sofern es sich nicht um schwerere Delikte handelt. Im Falle des Prozessverlustes kostet es den Gegner im Unterliegensfalle relativ viel Geld hinsichtlich der Erstattung der Gerichts- und Anwaltgebühren und ist einem Privatklageverfahren primär aus zeitlichen Gründen vorzuziehen.
Viele Stalker lassen jedoch derartige Verfügungen "links liegen". In diesen Fällen muss ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, das zur einer Ordnungshaft führen kann, wenn es nicht beigetrieben werden kann. Unter ungünstigen Bedingungen kann es bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Täters durch auch bei Prozessgewinn der Fall sein, dass das Opfer auf den Anwalts- und Gerichtskosten "sitzen bleibt".
Ergänzende Schutzmöglichkeiten
Bei Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind die Polizeibehörden nach Betätigung ihres pflichtgemäßen Ausübungsermessens verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Verfolgungen gegen Personen zu unterbinden, etwa durch Platzverweise.
Darüber hinaus kann eine Ordnungsbehörde nach den Vorschriften über die Psychischkrankengesetze der Länder bei Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Klinik erwirken, wovon allerdings wegen der hohen grundgesetzlichen Hürden als Freiheitsentziehung mit guten Gründen sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wird.
Es besteht auch die Möglichkeit, gegen hartnäckige Stalker die Durchführung eines betreuungsrechtlichen Verfahrens nach § 1896 BGB in Fällen psychischer Erkrankungen wie Psychosen von Amts wegen anzuregen, um auf diese Weise ggf. zu einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik unter den Voraussetzungen des § 1906 BGB mit §§ 70 ff FGG zu gelangen.